Steinmetz Grabmal
Ein Grabmal ist weit mehr als nur ein Platz für Name, Geburts- und Sterbedatum. Ein Grabmal, meist aus Stein, ist ein Schlussstein. Wir Hinterbliebene setzen ihn als letzte liebevolle Geste hinter das Leben unseres Verstorbenen, um es zu vollenden.
Es kennzeichnet den Ort, wo wir uns lösen von dem, was uns verbunden war, den Ort des endgültigen Abschieds. Es ist ein Zeichen für die Trennung von Körper und Seele, von Ich und Du, von einem gemeinsamen Gestern und einem vielleicht einsamen Heute. In Erinnerung bleibt das Wesentliche der Beziehung.
Ein Grabmal ist noch viel mehr, es symbolisiert den Ort der Verbindung und der Rückbindung. Wie Liebende, die gerne an den Ort zurückkehren, an dem sie sich kennen gelernt haben, oder wie Reisende, die auf dem Weg in das Neue gerne an die Heimat zurückdenken, besuchen wir Hinterbliebenen auch immer wieder das Grab, um Zwiesprache zu halten. Liebenden ist „ihr Ort“ geheiligt, denn hier hat die Liebe ihren Ursprung; hier haben sich ihre Seelen erstmals getroffen und hier wird die Nähe des anderen spürbar, auch wenn er gar nicht dabei ist. Solch ein „heiliger“ Ort ist uns auch das Grab, denn auch hier wird die Anwesenheit des Verstorbenen für uns spürbar – über den Tod hinaus.
Grabmale setzen aber nicht nur der Trennung und Verbindung ein Zeichen. Sie mahnen uns auch, das durch den Tod ins Übergewicht geratene Trennungsgefühl wieder ins Gleichgewicht mit der Verbindung zu einem neuen Leben zu bringen. Wenn das gelingt, gelingt uns Trauerarbeit. Dann setzen sie unserer Lösung ein Zeichen, die wir brauchen, um uns mit dem Leben wieder neu verbinden zu können. Ja, im geglückten Abschied liegt Erlösung.
Weil das Grabmal Sinnbild/Ausdruck ist für die Beziehung zum Verstorbenen und die Beziehung zum Verstorbenen sichtbar macht. Das Grabmal ist das in Stein gemeißelte Bekenntnis zum Verstorbenen.
Weil das Grabmal den Ort kennzeichnet, an dem alle Trauernden ihre Gefühle ausdrücken können und dürfen.
Weil sich im Grabmal zeigt, was uns (vor und auch nach dem Tod) mit einem geliebten Menschen verbunden hat.
Weil die Einzigartigkeit des verstorbenen Menschen im Grabmal noch lange Zeit für alle sichtbar bleibt.
Weil sich im Grabmal der Schmerz über das Loslassen müssen von einem verstorbenen Menschen zeigen kann, aber auch die Bereitschaft und Fähigkeit zum Loslassen können.
Weil das Grabmal das Ende eines gemeinsamen Weges im Leben markiert und den Ausgangspunkt für einen neuen Wegabschnitt, den ich ohne den Verstorbenen beschreiten muss.
Weil sich im Grabmal der Dank für die gemeinsamen schönen und schmerzlichen Erfahrungen zeigen kann, die mich geprägt, gefestigt und verändert haben.
Weil man sich im Grabmal noch einmal öffentlich und dauerhaft zur Liebe zum verstorbenen Menschen bekennen kann.
Weil das Grabmal auch Kindern und Kindeskindern, denen es versagt blieb, den verstorbenen Menschen kennenzulernen, den Verstorbenen unmittelbar in Erinnerung (wach-)hält.
Weil das Grabmal der Bezugspunkt für den letzen Dialog ist und Halt gibt in der Trauersituation.