Mit Dall-E in Tuvalu: Fotoreportage mit KI
“Unser Land geht unter, wir haben keine andere Wahl, als die erste digitale Nation zu werden.”
Ende 2022 kündigte der polynesische Inselstaat Tuvalu an, eine komplett digitale Kopie des Landes im Metaverse zu erstellen. Wegen des Klimawandels und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels ist das Land – durchschnittlich 2 Meter über dem Meeresspiegel – eines der ersten, das versinken wird.
Eigentlich wäre das eine “Story” – ein ganzer Staat verschwindet (während die Klimaziele nicht annähernd erreicht werden). Der Klimawandel ist schon jetzt dort spürbar und sichtbar: Tuvalu leidet aktuell unter einer langanhaltenden Dürre, die Sturmfluten haben sich im Vergleich zu den 70er und 80er Jahren verfünffacht.
So habe ich mich gefragt, ob es überhaupt als Fotografin heute noch gerechtfertigt ist, zu so einem Ort zu reisen, um zu berichten: Der Hin-und Rückflug zum rechte Ende unserer Weltkarte wird mir mit knapp 3 Tonnen prognostiziert. Das ist mehr als das festgelegte Jahres(!)-Budget pro Person von unter einer Tonne, das benötigt würde, um die Klimaziele zu erreichen.
Kaum eine oder keine Redaktion würde heute so eine Reportage finanzieren. Dennoch ist es ein denkbares Szenario, die Reise mit Stipendien zu finanzieren oder für ein repräsentatives Portfolio- oder Abschluss-Projekt selbst zu bezahlen (mit der Hoffnung, dass die Bilder im Nachhinein von Redaktionen gekauft werden).
Aber muss das sein? Der Ort wird doch ohnehin bald nur noch digital existieren – dann kann ich ja auch digital berichten. So begebe ich mich ohne eine Flugmeile dahin, wo die Insel bald ausschließlich existieren wird: Online.
Gedanklich habe ich eine Liste von Bildern, die ich vor Ort suchen würde: Portraits, Alltagsszenen, die sichtbare Klimaveränderung… Diese Beschreibungen gebe ich bei DALL·E 2 ein – einer künstlichen Intelligenz, die anhand meiner Textbeschreibung – sogenannten "Prompts" – die Bilder generiert. Angelernt wurde sie mit Millionen vorhandenen Bildern aus dem Netz.
Ich staune über manche Ästhetik und erfüllte Stereotypen. Die typische Insel in Polynesien scheint sehr bergig zu sein. Besser funktioniert übrigens das Wort "Atoll", wenn es um Landschaftsaufnahmen geht. Ich versuche Variationen und Stile, bin nicht immer so zufrieden – aber das wäre ich bei meinen eigenen Fotos ja auch nicht immer. Konzepte und Anordnung von oben und unten, wie etwa “Himmel hier, Meer dort” funktionieren einwandfrei.
Bei menschlichen Gesichtern und Körpern kommen oft gruselige Formen und Proportionen heraus. Da ist schon mal ein riesiger Schuh neben dem Oberschenkel oder ein Gesicht sieht aus wie eine hohle Maske aus schmelzendem Wachs.
Zum Schluss generiere ich noch ein Bild: “ Nina Weymann with a camerabag at the airport of a Polynesian island ” – Also quasi ein digitales Selbstporträt, wie ich es auf Instagram posten würde. Es ist mir vom Stil und den blonden Haaren überraschend ähnlich.
Und wer weiß, vielleicht lasse ich ab jetzt nicht nur Bilder generieren, sondern auch Texte wie diesen hier. Oder habe ich diesen Text hier überhaupt geschrieben? ;)
Viel Spaß mit den Bildern wünscht die KI-Fotojournalistin!
Nina Weymann
„Erst wenn die letzte Insel online, die letzte Mine leer, der kleinste Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Pixel nicht essen kann.“
Quellen und weitere Verweise:
Original Video des Außenministers Kofe
Stern-Artikel Tuvalu
Deutschlandfunk-Artikel über Tuvalu (Artikel aus 2010!)
Informationen des Auswärtigen Amts zu Tuvalu
CO2 - Angaben
Hin-und Rückflug Münster - Funafuti